„Nach Salzburg zu kommen war Gottes Plan“

Schwerpunkt Flüchtlinge – Ein Jahr danach – heute: Reza Adibi, ein Beispiel, dass Integration funktionieren kann. 

Von Michael Hudelist

 

Salzburg. Mitte November 2015 kommt der 26-jährige Iraner Reza Adibi zusammen mit seinem Bruder und dessen Familie in Salzburg an, auf Umwegen. Denn eigentlich waren sie schon im deutschen Villingen-Schwenningen, der Fluchthelfer hatte ihr gewünschtes Ziel, Salzburg, einfach vergessen. Die ersten Tage in den alten, kalten Hallen der ehemaligen Autobahnmeisterei waren hart, dann wurden ihnen auch noch die wenigen Ersparnisse gestohlen. „Es war eine schlimme Situation, wir haben nicht gewusst, wie es weitergeht“, erzählt Reza. Doch er und seine Familie haben Glück, schon nach drei Wochen in der Autobahnmeisterei waren sie die ersten Bewohner der Rot-Kreuz-Holzhäuser in Seekirchen. Auch wenn Reza, wie die meisten anderen, noch auf seinen Asylbescheid warten muss, ist er doch schon jetzt ein Beispiel dafür, dass  Integration funktionieren kann.

 

Familie Adibi, Iran Nov2015(15)
Archiv, 20. Nov. 2015, Camp Asfinag

 

Wie bei allen Menschen gehört auch bei Flüchtlingen und ihrem neuen Lebensweg immer eine Portion Glück dazu; Reza, sein Bruder Davood, dessen Frau und der 12-jährige Sohn werden nach nur drei Wochen im Transitlager in eine Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen, die man tatsächlich als „neues Zuhause“ bezeichnen darf. Das Rote Kreuz eröffnet  Anfang Dezember zwei neue Holzhäuser in Seekirchen am Wallersee, neben den hauptberuflichen Betreuern und einem Deutschkurs steht eine Schar von freiwilligen Helfern bereit. „Sie haben uns Kleidung gegeben, uns Medizin gebracht und mit Frau Annemarie haben wir eine sehr gute Lehrerin bekommen“. Zusätzlich zum offiziellen Deutschkurs hat der Helferkreis auch Nachhilfestunden für jedes Zimmer organisiert.

 

Während viele Migranten von der Flucht traumatisiert sind, nicht wissen, ob ihre Familien noch am Leben sind und daher keinen freien Kopf haben um Deutsch zu lernen, weiß Reza nach vier Wochen in Österreich: „Wir brauchen keine Angst mehr haben, wir sind in Sicherheit“. Es folgen tägliche Deutsch-Stunden mit der pensionierten Lehrerin und der 12-jährige Mani kommt nach wenigen Wochen in die Mittelschule, „wir waren einfach sehr glücklich, dass wir in Seekirchen sein durften“. Die Familie entdeckt wie alle Flüchtlinge schnell die günstigen Diskonter im Ort, spezielle iranische Gewürze oder Reis besorgen sie sich in der Stadt Salzburg.

 

Adibi Fam in Seekirchen 1Tag vor Einzug(2)
Archiv: 30. Nov. 2015, einen Tag vor dem Einzug in das Asylquartier Seekirchen

 

Reza und sein Bruder sind aus religiösen Gründen aus dem Iran geflohen, nach dem Wechsel zum Christentum war ihr Leben in der Islamischen Republik nicht mehr sicher. In Salzburg-Lehen findet Reza in der Baptisten-Kirche auch eine neue, religiöse Heimat, „der Pfarrer aus den USA kann auch gut Persisch“, lacht Reza, der fortan viermal in der Woche zum Bibelkurs von Seekirchen nach Salzburg fährt. „Ich glaube jetzt, dass es Gottes Plan war, dass ich nach Salzburg komme“.

 

Mutter im Iran weint

 

Mit seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern im Iran hat er via Skype und Facebook engen Kontakt, seine Mutter weint in den ersten Wochen viel, „Davood und ich sind ihre Söhne, aber jetzt hat Sie sich daran gewöhnt, dass wir in Österreich sind“. Auch seine iranische Freundin vermisst ihn, „aber es war eine heimliche Liebe, im Iran durften wir uns nicht öffentlich treffen“. In Österreich sehnt sich Reza natürlich auch nach einer Beziehung mit einem Mädchen, „aber es ist schwierig, als Flüchtling“. Dass sich die Stimmung gegenüber Flüchtlingen auch in Österreich nach der Silvesternacht in Köln verändert hat merkt auch der 26-Jährige. „An einem Abend bin ich aus dem Bus ausgestiegen, ein junges Mädchen auch. Wir sind in die gleiche Richtung gegangen, es war eine enge Gasse, das Mädchen hat sich zweimal umgedreht und ist dann plötzlich davon gelaufen“, schildert Reza diese für ihn unheimliche Erfahrung. Aber im Nachhinein versteht er die Reaktion, „jetzt wechsle ich die Straßenseite, wenn ein Mädchen alleine vor mir geht“.

 

Gemeinnützige Arbeit in der Lebenshilfe

 

Im Iran hatte er bereits ein Elektronik-Studium abgeschlossen, in Salzburg entdeckt er nun seine soziale Ader. Der 26-Jährige kennt mittlerweile alle Abteilungen des Landeskrankenhauses und viele Ordinationen, weil er im Auftrag des Roten Kreuzes Hausbewohner oder deren Kinder zu Arztterminen begleitet, dank seiner Englisch- und mittlerweile auch guten Deutschkenntnisse. Seit Juli hat Reza auch einen Job, zwar unbezahlt, aber für ihn dennoch unbezahlbar wichtig. „Ich bin in der Lebenshilfe Seekirchen, in einer Werkstatt, wo ich Klienten helfe“, so der Iraner. Klienten heißen in der geschützten Werkstatt alle geistig oder körperlich behinderten Menschen, die dort einfache, handwerkliche Tätigkeiten verrichten. „Sie lieben Reza“, berichtet die Leiterin der Werkstatt, die voll des Lobes ist. Wenn er den positiven Asylbescheid bekommt könnte die Lebenshilfe dann sogar sein erster, echter Arbeitgeber werden, die Chancen dafür stehen zumindest gut.

 

ATV Reza Adibi
Archiv, 17. Aug. 2016, ATV-Interview zum Thema „Gemeinnützige Arbeiten“

 

Nicht viele Flüchtlinge interessieren sich für die politische Situation Österreichs, zu sehr sind sie mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, anders Reza. Den polarisierenden Wahlkampf der beiden Bewerber um das Amt des Österreichischen Bundespräsidenten hat er genau verfolgt, er weiß, wofür Van der Bellen und Hofer stehen. „Die Regierung in Österreich hat mit den Flüchtlingen eine sehr schwierige Arbeit, aber sie weiß schon, was sie macht“, auch die vereinbarte Obergrenze für neu ankommende Schutzsuchende findet Reza in Ordnung. Ihm ist wichtig, „dass alle Flüchtlinge die westlichen Regeln kennenlernen“, aber das Vermitteln dieser Regeln sei oft schwierig, weil viele keine Schulausbildung hätten. Abschließend will er sich bei den Österreichern bedanken, „sie haben uns zu Essen gegeben, sie haben uns ein Zuhause gegeben und jetzt habe ich sogar eine Arbeit“. Eine gemeinnützige Arbeit, in der Reza schon jetzt die Hilfe, die er in Österreich erfahren hat, zum Teil zurückgeben kann.

Flüchtlinge an der Grenze – „Friedlose Zukunft wenn zu viele Flüchtlinge“- Teil 2

Helfer kritisiert Flüchtlingspolitik – „Es wird keinen Ansturm mehr geben“

 

Von Michael Hudelist

 

Teil 2

 

Salzburg, Fridolfing. Hunderte, freiwillige Helfer aus Salzburg und Freilassing haben ab Mitte September 2015 die ankommenden Flüchtlinge versorgt, erst am Hauptbahnhof, später dann an der Saalachbrücke und in der ehemaligen Autobahnmeisterei. 350.000 waren am Jahresende über Salzburg in die Bundesrepublik eingereist. Dass  vor allem an der Grenzbrücke zur Freilassing Tumulte ausgeblieben sind ist auch dem 77-jährigen, pensionierten Unternehmer Karl Heinz Müller aus Fridolfing zu verdanken. Mit seinem Platzkarten-System mit Hilfe von Buchstaben hat er die Einreise in die Bundesrepublik organisiert, Kritik daran weist er zurück. „Ich habe Flüchtlingen nur ein Band an den Arm gegeben damit sie sich nicht selbst überholen, damit nicht die Ellbogenstarken vorne sind und die Familien und die Kinder zurückbleiben“, so Müller.

 

Kind ängstlich Grenze Freilassing Ortstafel Salzburg
Archiv, 16. Sept. 2015

 

 

Schon bei den ersten Interviews an der Grenze im September 2015 wird deutlich, dass Müller kein sogenannter „Gutmensch“ sein will und keine Willkommenskultur zelebriert, „ich bin ein rechtsdenkender Mensch, also ich hänge an Gepflogenheiten, die das deutsche Volk so hat“, wobei er die Jahre 1933 bis 1945 explizit ausgeklammert wissen will. Die Zahl von einer Millionen Migranten pro Jahr bereitet ihm Unbehagen, „dieses Zuviel an Flüchtlingen kann unser Land in eine friedlose Zukunft führen“, befürchtet der 77-Jährige. Viele Länder seien der Meinung, Deutschland könne locker einige Millionen pro Jahr aufnehmen, „aber die Frage ist nicht, ob wir es wollen, sondern ob wir es können“. Entweder könne man diese Menschen gut versorgen, oder sie würden sich das holen, was sie zum Überleben brauchen. Müller hat auch Verständnis für Mitmenschen, die Angst haben, die opponieren. „Auch Leute die gegen die offizielle Flüchtlingspolitik sind haben ein Recht gehört zu werden, es ist auch nicht richtig, sie deshalb in ein rechtsradikales Eck zu stellen“.

 

Müller Karl Heinz Fridolfing(1)
Archiv, Sept. 2015

 

Dass die griechisch-mazedonische Grenze und damit die Balkanroute seit Anfang März 2016 geschlossen sind löst bei Müller unterschiedliche Reaktionen aus. Auf der einen Seite könne Deutschland nun versuchen, wieder seinen Frieden zu finden, „aber ich bin auch maßlos traurig wenn ich die Menschen zum Beispiel in Idomeni sehe“. Die 50.000 Menschen, die derzeit in Griechenland sind könne Deutschland locker aufnehmen, „aber ich weiß schon, dass das einen Sog bewirken würde und Griechenland schnell wieder aufgefüllt wäre“.

 

Merkel wollte nicht „die Böse“ sein

 

Vom Schließen der Balkanroute auf Drängen Österreichs habe Deutschland sehr wohl profitiert, „auch wenn man Österreich offiziell dafür kritisiert hat, aber das war einfach verlogen“. Angela Merkel wollte nicht „die Böse“ sein, so Müller. Der ehemalige Unternehmer glaubt, dass ohnehin die inoffizielle, deutsche Flüchtlingspolitik Österreich in die Enge getrieben habe. „Deutschland hat nur mehr eine ausgesuchte Klientel an Flüchtlingen übernommen, alle anderen sind in Österreich gestrandet, einem Land, das die meisten Flüchtlinge davor nicht einmal gekannt haben“. Dass Österreich an seinen Außengrenzen nicht auch entsprechend sortiert hat ist Müllers Meinung nach der strengeren Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention durch die Alpenrepublik geschuldet, „außerdem kann es nicht sein, dass österreichische Behörden als Handlanger der Deutschen Bundespolizei an den österreichischen Außengrenzen agieren“.

Mutter Kind ORF-Regenüberhang Grenzbrücke(1)
Archiv: Sept. 2015

 

„Es wird keinen Ansturm mehr geben“

 

Auch wenn in Salzburg große Zelte auf der Rückseite des Hauptbahnhofs, in der ehemaligen Autobahnmeisterei und an der Saalachbrücke immer noch an den Flüchtlingstransfer der 350.000 via Salzburg Hauptbahnhof und Saalachbrücke  erinnern glaubt Müller nicht, dass man diese Not-Unterkünfte  jemals wieder brauchen wird. Den Zustrom aus Italien werde man am Brenner in den Griff bekommen, die slowenische, grüne Grenze sei durch das Österreichische Bundesheer gesichert und auch an der österreichisch-ungarischen Grenze gäbe es mittlerweile ein Grenzregime. „Es wird keinen großen Ansturm mehr geben, es wird so dahin tröpfeln wie vor dem September 2015, also so 100  bis 150 Flüchtlinge am Tag, die bekommt man dann schon rüber“. Die Migranten werden sich wieder der Schlepper bedienen müssen, ein „Gewerbe“, dass von der Bundesregierung klammheimlich akzeptiert werde, „denn sonst müsste der Staat ja selbst wieder schleppen, wie es Österreich am Ende gemacht hat, als die Flüchtlinge sogar mit Bundesheer-Bussen von Spielfeld zur Asfinag gebracht wurden“. Dass die Europäische Union in der Flüchtlingsfrage bisher versagt hat überrascht Müller nicht, „wir haben keine EU als Staat, die kümmern sich immer nur um Industrielobbys, Gurken und Glühlampen“. Dass vorwiegend osteuropäische Staaten nicht bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen, ist das für Müller kein Zeichen von fehlender Solidarität, „sondern  es ist ihre, autonome Entscheidung für ihren Staat“.

 

Müller Karl Heinz bei der Hilfe(1)
Archiv, 29. März 2016

 

Dauerhafte Hilfe in Griechenland gescheitert

 

Nach dem offiziellen Ende der Flüchtlingshilfe in der Asfinag sind Müller und weitere Helfer rund um Doraja Eberle von ‚Bauern helfen Bauern‘ Anfang April mit Hilfsgütern in das griechische Flüchtlingslager Cherso gefahren, eine einmalige Aktion. „Wenn die Flüchtlinge nicht vor der Haustüre sind sondern im fernen Ausland spielen sie keine große Rolle mehr in den Köpfen der Menschen“, glaubt Müller. Eine dauerhafte Hilfe in Cherso aufzubauen wäre Müllers Wunsch gewesen, „aber da braucht man sehr viel Bargeld, um vor Ort das Nötigste einzukaufen“. Für ein Lager mit 1200 Menschen veranschlagt Müller rund 800.000 Euro für ein Jahr, nach ersten, erfolglosen Gesprächen mit möglichen Sponsoren habe er das Projekt begraben müssen.

 

Kritik an Willkommenskultur

 

Abrechnen will Müller auch mit der sogenannten „Willkommenskultur“, die seiner Meinung nach falsch gewesen ist. „Blumen und ‚Refugees welcome‘-Transparente haben keinem Flüchtling geholfen, es gab einfach keinen Grund, zu klatschen“, meint Müller. Auch die Menschen an den ersten Tagen mit Hilfsgütern regelrecht zu überschütten sei falsch gewesen. Für ihn seien immer nur drei Fragen an die Flüchtlinge wichtig gewesen, „Hast Du Hunger, hast Du Durst, brauchst Du medizinische Hilfe?“. Seine tausenden Stunden an der Grenze und später in der Asfinag hätten nur dazu gedient, „dass die Menschen die letzten Stunden  vor der Einreise nach Deutschland menschenwürdig gehen konnten, also in einer aufrechten Haltung, und nicht gebückt und kniend wie in den Ländern vor Österreich“.

Müller Fridolfing Aug2016(2)

In seinem Büro in Fridolfing erinnern Unmengen an abgenommenen Bändern und  Zeichnungen von Flüchtlingskindern an die für Müller harten Monate an der Grenze und im Transitlager, nur wenigen Flüchtlingen hat er seine Telefon Nummer gegeben, „ich wusste ja, dass es ihnen in Deutschland in den großen Zeltstädten anfangs nicht gut gehen wird, aber sie haben sich alle einfach so auf Deutschland gefreut“. Jetzt, ein Jahr danach, hat er sein „altes Leben“ wieder, fast, denn in Gedanken ist er noch oft bei den hunderttausenden Schutzsuchenden, für die er der erste, hilfsbereite Deutsche war, noch bevor sie in ihrem „gelobten Land“ waren.

 

Ende Teil 2

 

Teil 1: https://infomediaworx.wordpress.com/2016/08/30/fluechtlinge-vor-einem-jahr-an-der-grenze-sie-haben-sich-so-auf-deutschland-gefreut-teil-1/

Flüchtlinge vor einem Jahr an der Grenze – „Sie haben sich so auf Deutschland gefreut“ – Teil 1

Helfer Karl Heinz Müller kritisiert Flüchtlingspolitik – „Es wird keinen Ansturm mehr geben“

 

Von Michael Hudelist

 

Teil 1

 

Salzburg, Fridolfing. Hunderte, freiwillige Helfer aus Salzburg und Freilassing haben vor einem Jahr die ankommenden Flüchtlinge versorgt, erst am Hauptbahnhof, später dann an der Saalachbrücke und in der ehemaligen Autobahnmeisterei. 350.000 waren am Jahresende über Salzburg in die Bundesrepublik eingereist. Dass  vor allem an der Grenzbrücke zur Freilassing Tumulte ausgeblieben sind ist auch dem 77-jährigen, pensionierten Unternehmer aus Fridolfing Karl Heinz Müller zu verdanken. Mit seinem Platzkarten-System mit Hilfe von Buchstaben hat er die Einreise in die Bundesrepublik organisiert, Kritik daran weist er zurück. „Ich habe Flüchtlingen nur ein Band an den Arm gegeben damit sie sich nicht selbst überholen, damit nicht die Ellbogenstarken vorne sind und die Familien und die Kinder zurückbleiben“, so Müller. Heute wie damals sieht er sich auch nicht als „Gutmensch“, im Gegenteil.

 

Grenzkontrolle Freilassing 17Sept2015 (4 von 84)
Archiv, 17. Sept. 2015

 

Ein Rückblick: Am Abend des 13. September 2015 starten die vom deutschen Bundesinnenminister kurz zuvor angeordneten Grenzkontrollen, auch an der Saalachbrücke zwischen Salzburg und Freilassing. Der Bahnverkehr zwischen Österreich und Deutschland ist komplett eingestellt, daher machen sich hunderte Flüchtlinge vom Hauptbahnhof aus in Richtung Saalach auf. Die Bundespolizei lässt anfangs rund zehn Migranten pro Stunde passieren, die breiten Gehsteige vor der Mitte der Brücke und der Platz davor füllen sich schnell mit  Männern, Frauen und Kindern, zu Spitzenzeiten sind es rund 2000 Menschen. Auf österreichischer Seite ist keine staatliche Hilfe zu sehen, keine Polizei, niemand von Stadt oder Land; es sind ausnahmslos Freiwillige aus Salzburg und Freilassing, die an den ersten Tagen die Menschen mit dem Nötigsten versorgen. Unter ihnen auch der pensionierte Unternehmer Karl Heinz Müller aus Fridolfing. „Ich war zuerst schockiert über den Zustand der Frauen, Kinder und Babys, zum Teil eben erst  geboren, mitten auf der Brücke“, erinnert sich Müller. Es herrscht Chaos, niemand greift auf österreichischer Seite ordnend ein, jüngere  Asylbewerber drängen oft rücksichtslos nach vorne, „alle wollten ganz nahe an der Mitte der Brücke sein, wo für sie das Paradies begann“. Um dem Gedränge und Geschiebe vor den Absperrgittern der Bundespolizei ein Ende zu bereiten, teilt Müller die Gehsteige erst in Sektoren ein, „jeweils zwanzig Personen oder  Familien in einem Sektor“, später führt er eine Art Platzkarten-System ein, mit Buchstaben. Jeder ankommende Flüchtling bekommt einen Warte-Buchstaben, zuerst auf das Handgelenk, später auf Handbänder geschrieben.

 

Sektoren Flüchtlinge Grenzbrücke(7)
Archiv, Sept. 2016

 

 

Paradies in Sichtweite

 

Bis Ende Oktober warten hunderte, oft auch tausende  Migranten auf ihr „Paradies“, dass sie auf der anderen Seite der Saalach schon sehen, aber jetzt zumindest einigermaßen  human, mit Warte-Bändern versehen und von Freiwilligen mit Essen, Trinken und Bekleidung versorgt. Nicht nur die Flüchtlinge profitieren von dieser privat organisierten Ordnung auf österreichischer Seite, auch die Deutsche Bundespolizei auf der Brücke atmet auf. Der Zollamtsplatz und die Wiese vor der Böschung wirken wie ein großer Campingplatz, die staatlichen Stellen konzentrieren sich immer noch ausschließlich auf den Hauptbahnhof, „nur die Müllcontainer der Stadt waren dann relativ schnell da“, erinnert sich Müller.

 

An diesen Septembertagen haben Österreichs offizielle Stellen noch Angst, ihre Hilfe würde als „Schlepperei“ ausgelegt werden, „einzig Salzburgs Vizebürgermeister ist immer wieder vorbeigekommen und hat gefragt, ‚Braucht’s was?‘“. Zwischen 2000 und 4000 Flüchtlinge reisen pro Tag über Freilassing ein, sei es mit Sonderzügen vom Hauptbahnhof aus oder über die Saalachbrücke. Ab Oktober übernimmt Deutschland keine Sonderzüge mehr aus Österreich, die Situation an der Saalachbrücke spitzt sich wieder zu, Stadt und Land eröffnen daraufhin ein großes  Transitlager in der ehemaligen Autobahnmeisterei in Liefering,  aber drei Kilometer vor der Grenze wollen anfangs viele Flüchtlinge nicht mehr dort bleiben. Doch auch in dieser Situation bewährt sich das Müllersche Wartesystem, denn alle Flüchtlinge müssen ihr Band mit ihrem Buchstaben nun in der ehemaligen Autobahnmeisterei abholen und dort in der Regel 24 Stunden warten, bis sie mit Bussen zum letzten Transitlager an der Grenze gefahren werden. Dort werden die Freiwilligen mittlerweile von Soldaten des  Österreichischen Bundesheers  unterstützt.

 

Müller bezieht mit seinen Bändern in einer Halle der ehemaligen Autobahnmeisterei Quartier, rund 200.000 Flüchtlinge werden von ihm und zahlreichen Helfern in den folgenden Wochen und Monaten „bebändert“ und anschließend in den Großzelten versorgt, auch hier wiederum ausschließlich von vielen Freiwilligen, zum Beispiel den Muslim Hands, die für die Schutzsuchenden kochen. „Dieses Bebändern wollte kein Beamter oder staatlicher Angestellter machen, alle hatten irgendwie  Angst, sich am öffentlichen Schleusen zu beteiligen“, erinnert sich Müller. Die offizielle, österreichische Version war damals noch: die Menschen sind nur auf der Durchreise nach Deutschland, wir versorgen sie so gut es geht.

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Kritik an „deutscher Hilfe“

 

Dass ein Deutscher in Österreich die Einreise von Flüchtlingen nach Deutschland organisiert ist in seinem Bekanntenkreis schon damals zum Teil auf Unverständnis gestoßen, „aber ich habe Flüchtlingen nur ein Band an den Arm gegeben damit sie sich nicht selbst überholen, damit nicht die Ellbogenstarken vorne sind und die Familien und die Kinder zurückbleiben“. Er habe die Flüchtlinge weder nach Deutschland geholt, noch sie ins Land gelassen oder kontrolliert. Heute, fast ein Jahr später, hört er in seiner Gemeinde aber auch Vorwürfe wie „Du warst beteiligt, du warst ein Teil des Räderwerkes“. Dann wiederholt er unaufhörlich, dass es ihm immer nur um eine menschenwürdige Behandlung der Männer, Frauen und Kinder gegangen sei.

 

Dass die Stimmung in Deutschland gekippt ist will Müller schon im November gemerkt haben, „nach außen hin lautete die Devise zu diesem Zeitpunkt noch, ‚Wir nehmen alle‘, aber in Wirklichkeit hat Deutschland sukzessive begonnen, an den Stellschrauben zu drehen“, so Müller. Die Zahl der Zurückweisungen sei gestiegen, also Flüchtlinge, die Deutschland nicht wollte und nach Österreich zurückgeschickt hat. Auch in Österreich ist seiner Meinung nach die Stimmung früh gekippt, mitbekommen hat er es aber ausschließlich über Leserkommentare auf diversen Online-Plattformen oder in Boulevard-Zeitungen.

 

Ende Teil 1, im zweiten Teil lesen Sie,  was Karl Heinz Müller von der Willkommenskultur hält und wie Deutschland die offizielle „Alle dürfen rein“-Politik klammheimlich geändert hat.

Kein deutsches Asyl in Österreich

Hauptbahnhof Salzburg: Lückenlose Kontrolle bei Einreise nach Deutschland, immer mehr Zurückweisungen

 

Von Michael Hudelist

 

Salzburg. Eine siebenköpfige, irakische Familie ist am Samstag von deutschen Bundespolizisten am Hauptbahnhof verhaftet worden, weil sie nach Deutschland einreisen und Asyl beantragen wollte. Was vor einem Jahr noch mühelos möglich gewesen wäre, verhindern jetzt die sogenannten „vorgezogenen Grenzkontrollen“. „Wenn ein Migrant auf österreichischem Hoheitsgebiet ist kann er nicht Asyl in Deutschland beantragen“, erklärt Rainer Scharf von der Deutschen Bundespolizei die rechtliche Situation. Insgesamt steigt auch die Zahl der Flüchtlinge, die bereits im deutschen Grenzgebiet waren und dennoch zurückgewiesen werden.

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Die Familie aus dem Irak mit fünf Kindern ist nur ein Beispiel, viele Migranten versuchen nach wie vor, mit der Bahn nach Deutschland zu reisen um dort einen Asylantrag zu stellen. Da auch bei der Familie am Samstag naturgemäß keiner der Familienmitglieder einen Ausweis hatte wurde den sieben Irakern die Einreise in die Bundesrepublik verweigert, die deutsche Bundespolizei holte sie wieder aus dem Zug und übergab sie der österreichischen Polizei. Bei der Einvernahme am Sonntag durch die österreichischen Behörden sagte die Familie, dass sie deshalb in Deutschland Asyl beantragen wolle, weil sie dort bereits Verwandte hätten. Vater und Mutter im Alter von 45 und 47 Jahren, sowie die Kinder zwischen vier und 26 Jahren wurden von der österreichischen Polizei nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf freien Fuß gesetzt.

 

„Dublin III gilt“, Rainer Scharf, Bundespolizei

 

„Die Zurückweisungen am Hauptbahnhof erfolgen nach dem Dublin III-Abkommen“, so Rainer Scharf von der zuständigen Bundespolizei-Inspektion in Rosenheim. „Das heißt konkret, Flüchtlinge können nicht auf österreichischem Hoheitsgebiet einen Asylantrag für Deutschland stellen“. Nachdem die Bundespolizei am Salzburger Hauptbahnhof mittlerweile nicht nur den Fernverkehr in Richtung München, sondern auch die S-Bahn und den Meridian „lückenlos“ kontrolliert ist eine Einreise nach Deutschland für Flüchtlinge mit der Bahn de facto ausgeschlossen. Die Bundespolizei hat in der Bahnhofspassage mittlerweile einen freien Shop bezogen, genau da, wo vor einem Jahr hunderte Caritas-Helfer gespendete Klamotten sortierten und Brote schmierten.

 

Aber auch wenn Migranten über die „grüne Grenze“ oder Grenzübergänge wie Freilassing-Saalbrücke oder Laufen einreisen und entdeckt werden heißt das noch lange nicht, dass sie in Deutschland einen Asylantrag stellen dürfen oder wollen. So wurden zum Beispiel am Samstag zwischen Lindau und Freilassing rund 90 Flüchtlinge festgestellt, rund 60 von ihnen wurden wieder nach Österreich zurückgeschickt. „Am Sonntag waren es 80 festgestellte Migranten und zehn Zurückgewiesene“, so Scharf. Im Berchtesgadener Land wurden am Wochenende elf Afghanen im Raum Freilassing, sowie rund 30 Migranten im Stadtgebiet von Laufen von der Bundespolizei übernommen und zur Registrierung zur BAMF-Außenstelle nach Freilassing gebracht. „Das Auffinden von Großgruppen wie vor einigen Wochen ist aber wieder abgeflaut“, ergänzt Scharf.

11-Jähriger ertrinkt in Lammer

Siphon unter einer Wehr hat Buben angesogen

 

Von Michael Hudelist

 

Golling. Verstorben ist in der Nacht auf heute jener 11-jährige Bub, der gestern Nachmittag an einer Wehr in der Lammer ertrunken war. „Es ist ein tragischer Unfall, der Bub ist so unglücklich vor der Mauer einer Wehr gestürzt, dass er vom Sog unterhalb der Mauer in einen Siphon gezogen wurde“, so Heinrich Brandner von der Salzburger Wasserrettung. Rund 45 Minuten dürfte der Junge in der unterirdischen Höhle unter Wasser gewesen sein, gestern konnte er zuerst noch reanimiert werden.

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Foto: Wasserrettung Salzburg

Zwei 11-jährige Zwillingsbrüder und deren ebenfalls 11- jähriger Freund baden am Donnerstag an der Lammer am sogenannten „Lammerspitz“, der Mündung der Lammer in die Salzach. Die drei einheimischen Kinder beschließen dann, die Lammer flussaufwärts bis zur Stauwehr zu gehen und sich von dort mit einem Schwimmreifen die Lammer hinunter treiben zu lassen. An der Wehr angekommen wollen sie über die Wehrmauer klettern, dazu mussten sie über große, nasse Steine vor der Wehr klettern. Einer der Brüder klettert vor, die anderen folgen ihm. Nach einem kurzen Stück wird es den beiden nachkletternden Buben zu gefährlich und sie drehen um. Das spätere Opfer geht weiter, rutscht aus und fällt so unglücklich in die Lammer, dass er von einem Siphon unterhalb der Wehrmauer aufgesaugt wird.

 

 

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Heinrich Brandner von der Wasserrettung Salzburg an der Unfallstelle, der Wehrmauer.

 

Feuerwehr und Wasserrettung suchen erst die Lammer ab, da die beiden Buben keine genauen Angaben machen können und nur sagen, ihr Freund und Bruder sei plötzlich verschwunden. Wasserretter entdecken den 11-Jährigen dann schließlich in der unterirdischen Höhle, dem Siphon unterhalb der Wehrmauer, „diese ist rund 3 Meter tief mit einer Wasserhöhe von rund 2 Meter“, so Brandner. Der Bub konnte noch reanimiert werden, in der Nacht auf Freitag ist er jedoch im Landeskrankenhaus verstorben.

Polizei nimmt 16 Dealer fest

Drogen für 425.000 Euro verkauft, jüngster Abnehmer 11 Jahre alt

 

–  Von Michael Hudelist –

 

Zell am See. Auch wenn die täglichen Polizeiberichte bei der Drogenkriminalität oft den Eindruck wieder spiegeln, nur Ausländer oder Flüchtlinge seien in die Drogenkriminalität verwickelt wurden jetzt 12 Einheimische festgenommen, außerdem zwei Bosnier und zwei Holländer. Bereits seit einem Jahr hat die Kriminalpolizei im Salzburger Pinzgau ermittelt, jetzt sind alle Verdächtigen festgenommen. „Acht der Verdächtigten sitzen noch in U-Haft und warten auf den Prozess, andere sind schon abgeurteilt“, so Eva Maria Wenzl von der Polizei. Unter den rund 200 Abnehmern waren auch zehn Minderjährige im Alter von elf bis 15 Jahren.

 

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Foto: Polizei

 

 

Die Polizei hat den Männern den gewinnbringenden Handel von Kokain, Speed, XTC-Tabletten und Cannabiskraut nachgewiesen. Insgesamt verkauften die Festgenommenen im Bezirk Zell am See 2500 Gramm Speed, an die 5000 Stück XTC-Tabletten und rund 30 Kilogramm Cannabiskraut. Der Straßenverkaufswert liegt bei 425.000 Euro.

 

Seit Februar dieses Jahres hat die Polizei insgesamt 22 Wohnungen im Pinzgau durchsucht, dabei wurden 900 Gramm Speed, 600 Stück Tabletten und drei Kilogramm Cannabiskraut im Gesamtwert von 60.000 Euro sichergestellt. Zudem stellten die Ermittler fünf verbotene Waffen, sogenannte Stahlruten sicher und hoben drei Zuchtanlagen für Cannabis aus. Bei den Ermittlungen wurden über 200 Abnehmer im Bezirk Zell am See ausgeforscht, wobei die jüngsten Konsumenten elf Jahre alt waren.

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Beim Abarbeiten der Drogendelikte stellen die Beamten aber auch noch andere Straftaten fest, so konnten drei Raubdelikte geklärt werden, für die drei der Festgenommen verantwortlich sein sollen. Drei weitere Dealer im Alter von 18 und 20 Jahren überfielen im Sommer 2015 in Innsbruck in einem Park einen jungen Marokkaner unter Vorhalt einer Schreckschusspistole und versuchten dem Mann 300 Gramm Cannabiskraut zu rauben. Im Januar dieses Jahres verübten zwei der Dealer aus dem Pinzgau einen Raub in der Plainstraße in Salzburg und raubten dabei einem anderen Händler 100 Gramm Marihuana. Für diese Delikte wurden die Männer bereits, wenn auch noch nicht rechtskräftig, verurteilt.

2,5 Mio. Euro für Deutschkurse

Erfolg teilweise bescheiden, neue Plattform für alle Kurse

 

  • Von Michael Hudelist –

 

Salzburg. Rund 2,5 Millionen Euro geben Bund und Land Salzburg derzeit pro Jahr für Deutschkurse aus, davon rund 1,5 Mio. Euro für Asylbewerber in der sogenannten Grundversorgung, sowie rund eine Millionen für Asylberechtigte in der Mindestsicherung, also Sozialhilfe. Dass die Erfolge teilweise bescheiden sind hat nach Expertenmeinung mit dem „sehr heterogenen Gruppen“ zu tun, also ehemalige Studenten, aber auch Analphabeten und Traumatisierte stecken oft in einem Kurs. Jetzt soll eine neue Online-Plattform alle 600 Angebote von insgesamt 70 Anbietern für alle übersichtlich darstellen.

 

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Das Lernen der deutschen Sprache ist für Asylberechtigte, also mit einer Anerkennung, Pflicht, für Asylbewerber freiwillig. Dennoch haben im Bundesland die meisten der rund 4600 Asylwerber die Möglichkeit, an einem Deutschkurs teilzunehmen. Das erste Niveau ist der sogenannte „A1“-Kurs, am Ende können aber nicht alle die gewünschten, einfachen Redewendungen. Das hat zum einen mit unterschiedlichen Bildungsschichten zu tun, „aber auch mit den Menschen, die einfach sehr unterschiedlich sind, wie wir auch“, erklärt Wolfgang Schick, zuständig im Land für die Integration. „Manche lernen eben leichter, andere sind vielleicht noch traumatisiert oder in Gedanken bei der Familie und haben daher den Kopf nicht frei für eine neue Sprache“. Einen Qualitätsmangel auf Seiten der Anbieter sieht Schick nicht, „uns ist wichtig, dass wir möglichst vielen Asylbewerbern einen A1-Kurs anbieten können.“

 

7000 Stunden Nachhilfe

 

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Reza und seine Familie aus dem Iran hatte neben dem offiziellen A1-Kurs auch täglichen Unterricht einer ehrenamtlichen Helferin von „Seekirchen hilft“, der Erfolg gibt diesem  freiwilligen Nachhilfe-Konzept recht.

 

Besser sind die Ergebnisse meistens dann, wenn freiwillige Helfer die offiziellen Sprachkurse unterstützen und die Flüchtlinge dabei auch im Alltag betreuen, sei es beim Einkaufen gehen oder zum Beispiel bei der Suche nach Sportvereinen. In einem Freiwilligen-Netzwerk der Diakonie arbeiten rund 100 Freiwillige mit, „diese haben in diesem Jahr seit Januar bereits 7000 unbezahlte Stunden unterrichtet“, so Brigitte Leister von der Diakonie.

 

Die zuständige Integrations-Landesrätin Martina Berthold gibt schon das nächste Ziel aus, „bis zum Sommer 2017 sollen alle Asylbewerber und Asylberechtigte im Bundesland mindestens das erste Level A1 erreicht haben“. Die Plattform www.deutschlernen-salzburg.at soll nun sowohl den Flüchtlingen, als auch allen Ehrenamtlichen dabei helfen.

Auto-Urlaub boomt

Immer mehr Deutsche kommen, Salzburg-Tourismus jubelt über 20  Prozent mehr Ankünfte

 

Von Michael Hudelist

 

Salzburg. „20 Prozent mehr deutsche Gäste“, jubelt der für Tourismus zuständige Vizebürgermeister Harry Preuner. Salzburg-Stadt Tourismus-Chef Bert Brugger zählt nicht die Ankünfte, sondern die Übernachtungen, „da sind es 14,1 Prozent mehr, auch ein sehr guter Wert“. Bis auf Norddeutschland sind alle deutschen Bundesländer bei den Ankünften im Plus, „fast ausschließlich zweistellig“. Den Grund sieht Brugger in internationalen Krisen. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres kamen rund 880.000 Gäste in der Stadt an, die Zahl der Übernachrungen stieg um rund zwei Prozent auf rund 1,5 Millionen.

 

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Das Plus von 14,1 Prozent im Juli kommt für die Touristiker nicht überraschend, „das Geschäft mit Gästen aus der Bundesrepublik ist auch in der ersten Jahreshälfte schon gut gelaufen, allerdings nicht auf diesem hohen Niveau“, so Brugger. Kurzfristig habe Salzburg von zahlreichen Krisen  profitiert, „so haben zu Beispiel die Anschläge in Frankreich und Belgien die Buchungen im Fluggeschäft  einbrechen lassen, außerdem wird eine Reihe von wichtigen Sun-and-Beach Nationen derzeit wenig nachgefragt, also zum Beispiel Türkei, Ägypten, Tunesien und Marokko“. Das so genannte ‚erdgebundene Reisen‘, also mit dem Auto, habe stark zulegen können, „davon profitiert auch Salzburg“, sagt Brugger. Dabei seien die Salzburger Festspiele in der Juli-Auswertung nur mit einer Woche vertreten.

 

Städtetourismus boomt

 

Das Plus bei den deutschen Gäste habe sich bereits im Verlaufe des Jahres angedeutet, „allerdings nicht in dieser Stärke, es war nicht abzusehen, dass Österreich und vorallem Salzburg von diesem Trend so stark profitieren würde“, so Brugger. Insgesamt sind im Juli rund 36.000 Österreicher als Urlaubsgäste in Salzburg angekommen, knapp dahinter mit 30.500 die deutschen Touristen, insgesamt sind alleine im Juli 188.000 Gäste in der Stadt angekommen, gegenüber dem Juli 2015 entspricht das einem Plus von satten zwei Prozent.I

Festspiele lassen Kassen klingeln

Festival bringt 183 Millionen Euro an Wertschöpfung alleine für Salzburg

 

Deutsche sind größte Besuchergruppe, Gäste geben über 300 Euro am Tag aus

 

Von Michael Hudelist

 

Salzburg. Die Salzburger Festspiele schaffen eine Wertschöpfung von 183 Millionen Euro, österreichweit sogar 215 Mio. Euro, so eine Analyse des Jahres 2015, die jetzt präsentiert wurde. Laut dieser Studie der Wirtschaftskammer sichert das Festival 2800 Vollzeit-Arbeitskräfte in verschiedensten Branchen im gesamten Bundesland. Mit 41 Prozent sind Besucher aus Deutschland die größte Besuchergruppe, gefolgt von Österreichern mit 38 Prozent. Im Schnitt gibt jeder Festspielbesucher für Hotel, Essen und Einkaufen 319 Euro pro Tag aus, für die Festspielkarten geben die Besucher im Durchschnitt 550 Euro pro Person aus.

 

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Helga Rabl-Stadler, Festspielpräsidentin, Joachim Sauer, Angela Merkel, Premiere Endspiel im Landestheater Salzburg, Salzburger Festspiele 2016 – Foto: Wildbild/Doris Wild

 

Erstmals haben Wirtschaftskammer und Festspiele die regionale und die österreichweite Wertschöpfung getrennt abgefragt und berechnet, daher ergibt sich auch ein anderes Bild als noch 2011. In der Studie für 2015 zeigt sich, dass die Festspielbesucher einen zusätzlichen Umsatzimpuls von rund 129 Millionen Euro auslösen. Davon entfallen zum Beispiel auf Übernachtung und Restaurantbesuche rund 77 Mio. Euro, sowie auf den Handel 26 Mio. Euro. Für Kosmetik und Friseur geben die Festspielgäste rund 7,5 Mio. Euro aus. Rechnet man die Kartenverkäufe mit dazu ergibt sich ein Umsatzimpuls von 141 Millionen Euro. „Ein einziges Festspieljahr, in unserem Fall das Jahr 2015, erzeugt mit induzierten Welleneffekten in den folgenden Jahren bis 2019 laut makroökonomischen Modell  eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von insgesamt 183 Mio. Euro alleine in Salzburg“, so Studienautor Helmuth Eymannsberger von der Wirtschaftskammer. Auf ganz Österreich berechnet steigt die Wertschöpfung auf 215 Mio. Euro. Die Festspiele erhalten pro Jahr rund 11 Mio. Euro an Subventionen, Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler wird nicht müde zu erklären, dass durch die Festspiele ein Vielfaches an Steuern in die Staatskasse zurückfließt. „Die Salzburger Festspiele und ihre volkswirtschaftlichen Wirkungen  bringen einen 77 Mio. Euro  starken Zufluss an Steuern und Abgaben für die öffentliche Hand und das Sozialsystem“, so Rabl-Stadler.

Bauernherbst, ein einziges Schmankerl

 

Haslauer: „Registrierkassen-Pflicht als Anschlag auf Bauernherbst“

 

Von Michael Hudelist

 

Salzburg. Von 27. August an bis zum 6. November dauert heuer der Salzburger Bauernherbst, der vor allem die Landwirtschaft und die lokalen Produkte in den Mittelpunkt stellt und damit sowohl Touristen, als auch Einheimische anlocken soll. Die Präsentation nutzte Landeshauptmann Wilfried Haslauer um zu wiederholen, dass auch er die geplante Registrierkassenpflichte zu Fall gebracht habe, „diese Pflicht wäre ein Anschlag auf den Bauernherbst gewesen“. Auch wenn das Bundesland Salzburg vor allem im Winter vom Massentourismus lebt betont Haslauer die offizielle Linie, „wir sind kein Ballermann“.

 

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Foto: Salzburger Agrar Marketing/Pichler

Auch beim 21. Salzburger Bauernherbst stehen Essen und Trinken im Mittelpunkt, die teilnehmenden Wirte und Bauern kredenzen kulinarische Köstlichkeiten nach alten, überlieferten Rezepten und regionale Schmankerl auf wie zum Beispiel Pinzgauer Kasnockn oder Erdäpfelnidei, Bauernkrapfen, Pofesen und  Hauswürste. Im Jahr 1996 kamen zu den Veranstaltungen des ersten Bauernherbstes rund 150.000 Besucher, im vergangenen Jahr waren es bereits knapp 500.000. Hintergrund ist natürlich der Tourismus, der mit dem Bauernherbst die Sommersaison bis in den November hinein verlängern will. „In den Herbstmonaten September und Oktober konnten wir seit dem ersten Bauernherbstjahr 1996 einen Anstieg von 30 Prozent bei den Nächtigungen verbuchen“, so Leo Bauernberger, Geschäftsführer der ‚Salzburg Land Tourismus. Ob dieses Plus tatsächlich eindeutig auf den Bauernherbst zurückzuführen ist ist unklar, trotzdem steht für Bauernberger fest, dass der Bauernherbst dazu beigetragen hat, „Salzburg als Ganzjahresdestination zu etablieren“.

 

 

Bauernherbst 2016: Presse-Event in der Stiegl Brauwelt
Foto: SLT/Neumayr

Rezepte als Urlaubsentscheider

 

Landwirte würden das ganze Jahr über lokale Produkte nach alten Rezepten kochen, beim Bauernherbst würde man das eben auch für die Gäste tun. „Viele Besucher fragen dann zum Beispiel nach den Rezepten“, erzählt Landesbäuerin Elisabeth Hölzl. Diese würde man selbstverständlich gerne weitergeben, „denn beim Nachkochen zuhause erinnern sich die Gäste an den Urlaub in Salzburg und so ist ein Rezept vielleicht ausschlaggebend für die nächste Urlaubsplanung“. Durch das schwierige Wetter in diesem Jahr würden die lokalen Produkte noch mehr Wertschätzung erfahren, glaubt die Landesbäuerin.

 

Das gesamte Programm des Bauernherbstes umfasst rund 2000 Veranstaltungen im gesamten Bundesland, Kräuter und Heilpflanzen bilden in diesem Jahr das Schwerpunktthema. Alle teilnehmenden Orte und alle Veranstaltungen finden Sie auf www.bauernherbst.com .