„Nach Salzburg zu kommen war Gottes Plan“

Schwerpunkt Flüchtlinge – Ein Jahr danach – heute: Reza Adibi, ein Beispiel, dass Integration funktionieren kann. 

Von Michael Hudelist

 

Salzburg. Mitte November 2015 kommt der 26-jährige Iraner Reza Adibi zusammen mit seinem Bruder und dessen Familie in Salzburg an, auf Umwegen. Denn eigentlich waren sie schon im deutschen Villingen-Schwenningen, der Fluchthelfer hatte ihr gewünschtes Ziel, Salzburg, einfach vergessen. Die ersten Tage in den alten, kalten Hallen der ehemaligen Autobahnmeisterei waren hart, dann wurden ihnen auch noch die wenigen Ersparnisse gestohlen. „Es war eine schlimme Situation, wir haben nicht gewusst, wie es weitergeht“, erzählt Reza. Doch er und seine Familie haben Glück, schon nach drei Wochen in der Autobahnmeisterei waren sie die ersten Bewohner der Rot-Kreuz-Holzhäuser in Seekirchen. Auch wenn Reza, wie die meisten anderen, noch auf seinen Asylbescheid warten muss, ist er doch schon jetzt ein Beispiel dafür, dass  Integration funktionieren kann.

 

Familie Adibi, Iran Nov2015(15)
Archiv, 20. Nov. 2015, Camp Asfinag

 

Wie bei allen Menschen gehört auch bei Flüchtlingen und ihrem neuen Lebensweg immer eine Portion Glück dazu; Reza, sein Bruder Davood, dessen Frau und der 12-jährige Sohn werden nach nur drei Wochen im Transitlager in eine Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen, die man tatsächlich als „neues Zuhause“ bezeichnen darf. Das Rote Kreuz eröffnet  Anfang Dezember zwei neue Holzhäuser in Seekirchen am Wallersee, neben den hauptberuflichen Betreuern und einem Deutschkurs steht eine Schar von freiwilligen Helfern bereit. „Sie haben uns Kleidung gegeben, uns Medizin gebracht und mit Frau Annemarie haben wir eine sehr gute Lehrerin bekommen“. Zusätzlich zum offiziellen Deutschkurs hat der Helferkreis auch Nachhilfestunden für jedes Zimmer organisiert.

 

Während viele Migranten von der Flucht traumatisiert sind, nicht wissen, ob ihre Familien noch am Leben sind und daher keinen freien Kopf haben um Deutsch zu lernen, weiß Reza nach vier Wochen in Österreich: „Wir brauchen keine Angst mehr haben, wir sind in Sicherheit“. Es folgen tägliche Deutsch-Stunden mit der pensionierten Lehrerin und der 12-jährige Mani kommt nach wenigen Wochen in die Mittelschule, „wir waren einfach sehr glücklich, dass wir in Seekirchen sein durften“. Die Familie entdeckt wie alle Flüchtlinge schnell die günstigen Diskonter im Ort, spezielle iranische Gewürze oder Reis besorgen sie sich in der Stadt Salzburg.

 

Adibi Fam in Seekirchen 1Tag vor Einzug(2)
Archiv: 30. Nov. 2015, einen Tag vor dem Einzug in das Asylquartier Seekirchen

 

Reza und sein Bruder sind aus religiösen Gründen aus dem Iran geflohen, nach dem Wechsel zum Christentum war ihr Leben in der Islamischen Republik nicht mehr sicher. In Salzburg-Lehen findet Reza in der Baptisten-Kirche auch eine neue, religiöse Heimat, „der Pfarrer aus den USA kann auch gut Persisch“, lacht Reza, der fortan viermal in der Woche zum Bibelkurs von Seekirchen nach Salzburg fährt. „Ich glaube jetzt, dass es Gottes Plan war, dass ich nach Salzburg komme“.

 

Mutter im Iran weint

 

Mit seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern im Iran hat er via Skype und Facebook engen Kontakt, seine Mutter weint in den ersten Wochen viel, „Davood und ich sind ihre Söhne, aber jetzt hat Sie sich daran gewöhnt, dass wir in Österreich sind“. Auch seine iranische Freundin vermisst ihn, „aber es war eine heimliche Liebe, im Iran durften wir uns nicht öffentlich treffen“. In Österreich sehnt sich Reza natürlich auch nach einer Beziehung mit einem Mädchen, „aber es ist schwierig, als Flüchtling“. Dass sich die Stimmung gegenüber Flüchtlingen auch in Österreich nach der Silvesternacht in Köln verändert hat merkt auch der 26-Jährige. „An einem Abend bin ich aus dem Bus ausgestiegen, ein junges Mädchen auch. Wir sind in die gleiche Richtung gegangen, es war eine enge Gasse, das Mädchen hat sich zweimal umgedreht und ist dann plötzlich davon gelaufen“, schildert Reza diese für ihn unheimliche Erfahrung. Aber im Nachhinein versteht er die Reaktion, „jetzt wechsle ich die Straßenseite, wenn ein Mädchen alleine vor mir geht“.

 

Gemeinnützige Arbeit in der Lebenshilfe

 

Im Iran hatte er bereits ein Elektronik-Studium abgeschlossen, in Salzburg entdeckt er nun seine soziale Ader. Der 26-Jährige kennt mittlerweile alle Abteilungen des Landeskrankenhauses und viele Ordinationen, weil er im Auftrag des Roten Kreuzes Hausbewohner oder deren Kinder zu Arztterminen begleitet, dank seiner Englisch- und mittlerweile auch guten Deutschkenntnisse. Seit Juli hat Reza auch einen Job, zwar unbezahlt, aber für ihn dennoch unbezahlbar wichtig. „Ich bin in der Lebenshilfe Seekirchen, in einer Werkstatt, wo ich Klienten helfe“, so der Iraner. Klienten heißen in der geschützten Werkstatt alle geistig oder körperlich behinderten Menschen, die dort einfache, handwerkliche Tätigkeiten verrichten. „Sie lieben Reza“, berichtet die Leiterin der Werkstatt, die voll des Lobes ist. Wenn er den positiven Asylbescheid bekommt könnte die Lebenshilfe dann sogar sein erster, echter Arbeitgeber werden, die Chancen dafür stehen zumindest gut.

 

ATV Reza Adibi
Archiv, 17. Aug. 2016, ATV-Interview zum Thema „Gemeinnützige Arbeiten“

 

Nicht viele Flüchtlinge interessieren sich für die politische Situation Österreichs, zu sehr sind sie mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, anders Reza. Den polarisierenden Wahlkampf der beiden Bewerber um das Amt des Österreichischen Bundespräsidenten hat er genau verfolgt, er weiß, wofür Van der Bellen und Hofer stehen. „Die Regierung in Österreich hat mit den Flüchtlingen eine sehr schwierige Arbeit, aber sie weiß schon, was sie macht“, auch die vereinbarte Obergrenze für neu ankommende Schutzsuchende findet Reza in Ordnung. Ihm ist wichtig, „dass alle Flüchtlinge die westlichen Regeln kennenlernen“, aber das Vermitteln dieser Regeln sei oft schwierig, weil viele keine Schulausbildung hätten. Abschließend will er sich bei den Österreichern bedanken, „sie haben uns zu Essen gegeben, sie haben uns ein Zuhause gegeben und jetzt habe ich sogar eine Arbeit“. Eine gemeinnützige Arbeit, in der Reza schon jetzt die Hilfe, die er in Österreich erfahren hat, zum Teil zurückgeben kann.

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