Aus Bahnhofsviertel wird „Bahnhofsquartier“

 

Streit um Fördergeld für Bahnhofsquartier  – Steuergeld für den nördlichen oder südlichen Teil des Bahnhofes?

 

– Von Michael Hudelist –

 

Freilassing. Fördergeld, am Ende auch Steuergeld, für Städtebauprogramme abrufen wollen viele Kommunen, nur es muss konkrete Pläne geben. In Freilassing erfüllen sowohl der geplante Lindenplatz, als auch die mögliche Verlegung der Rupertusstraße die Bedingungen dafür. Also soll die Stadt noch schnell einen Förderantrag für die beiden Pläne im nördlichen Bereich des Bahnhofsareals stellen oder wäre nicht eigentlich der Platz südlich des Bahnhofs wichtiger? Also Norden gegen Süden, die Meinungen im Stadtrat waren so unterschiedlich wie die Himmelsrichtungen.

Bahnhof_NORDEN_Lindenplatz_Freilassing_Stadtentwicklung
Durch das Verlegen der Rupertusstraße an die Bahngleise soll Platz geschaffen werden für Wohn- und Nutzbauten, sowie den Lindenplatz.

 

Bei Neubauten hat heutzutage alles einen wohlklingenden Namen, aus dem Bahnhofsviertel soll in Freilassing das Bahnhofsquartier werden, dieses wiederum soll einen Brückenschlag bilden zwischen den beiden getrennten Teilen der Stadt, also dem südlichen Teil (Reichenhaller Straße) und dem Rest. Zudem wächst Freilassing und hat mit der Einstufung als Oberzentrum, gemeinsam mit Bad Reichenhall, zusätzlich an Bedeutung gewonnen, hier sollte der Städtebau nachziehen. In einem ersten Schritt soll nun im Norden des Bahnhofs aus dem jetzigen Ende der Lindenstraße ein Lindenplatz entstehen, die Rupertusstraße an die Bahngleise verlegt werden. Außerdem wäre dann Platz für  Neubauten, zum Beispiel für ein Ärztezentrum für Mediziner, die jetzt eigentlich geballt im Süden an der Reichenhaller Straße beheimatet sind.

 

Gleichzeitig umfassen die Pläne „Bahnhofsquartier“ selbstverständlich auch den Bahnhof selbst und dessen Vorplatz, nur diese Pläne sind sehr stark von den Zeitplänen der Deutschen Bahn abhängig. Insgesamt soll am Ende für das gesamte Quartier rund 22 Millionen Euro inklusive Erschließungskosten zur Verfügung stehen, darin ist allerdings ein Großteil von noch zu findenden Investoren zu tragen. Die Stadt selbst rechnet mit Kosten von rund 2 Millionen Euro, davon sind rund 650.000 Euro für den eigentlichen, städtebaulichen Mehrwert veranschlagt, und genau für diesen Teilbetrag gibt es Förderungen bis zu 430.000 Euro, die Kosten der Stadt würden sich demzufolge auf rund 1,6 Millionen reduzieren. Einziger Haken: der Antrag muss schnell abgeschickt werden, am 30. November endet die Frist.

 

Süden wird nach Norden verschoben

 

Der für den erkrankten Bürgermeister Josef Flatscher eingesprungene 2. Bürgermeister Gottfried Schacherbauer bemühte sich zu erklären, dass es beim Antrag nur darum gehe, Geld aus dem Fördertopf zu bekommen, damit wären keinerlei Maßnahmen konkret beschlossen. Doch Bettina Oestreich von den Freien Wählern wollte dem nicht wirklich Glauben schenken, „Priorität haben doch der Bahnhof und der Bahnhofsvorplatz, nur weil es hier jetzt offensichtlich Probleme gibt verschieben wird die Investitionen einfach nach Norden, dabei fühle ich mich nicht gut“. Erst müsse der südliche Teil des Quartiers in Angriff genommen werden, das sei den Bürgern so versprochen worden. „Aber das andere (Der Süden. Anm.) ist doch nicht vergessen“ versuchte Schacherbauer noch einmal eine drohende lange Diskussion im Keim zu ersticken. Vergebens.

 

Verbalen Beifall erhielt er von Fritz Braun (FWG), der, „auch wenn ich es nicht mehr erleben werde“, für den Antrag warb, es wären hier doch sehr vorteilhafte Summen, die man bekäme. Die kurze Welle der Zustimmung wurde von Max Standl (CSU) jäh ausgebremst, er wolle auf keinen Fall, dass die Rupertusstraße verlegt werde, „was ist das für ein Straßenverlauf, mal rechts, dann wieder links, und, wir gewinnen deshalb keinen Quadratmeter mehr für Wohnflächen. „Nur weil es Fördermittel gibt sollen wir einen Antrag stellen? Das sind auch Steuermittel“ ermahnte Standl die Ratskollegen.

Als nächster rückte Florian Löw (FWG) an um in gewohnter Weise gegen Großprojekte zu wettern, die die Stadt seiner Meinung nach nicht stemmen könne. „Wie sollen wir Innenstadt und Bahnhof gleichzeitig schultern, nicht zu vergessen die Grundschule?“ Eine Planung nach der anderen „zieht an uns vorüber“, aber keine sei in der Umsetzung. Auch die Arbeit des wissenschaftlichen Städteplaners beäugt Löw gewohnt kritisch, „auch beim Bahnhofsneubau meinte Professor Schirmer, er könne fünf Investoren aus dem Ärmel schütteln, und, wo sind sie?“ Ohne konkrete Investoren-Namen zu nennen entgegnete Bauamtsleiter Jan-Michael Schmiz, dass „immer wieder Investoren wegen des Bahnhofsareals nachfragen“, aber die Abstimmung mit der Deutschen Bahn brauche eben mehr Zeit. Zudem würde die DB jetzt erst einmal den barrierefreien Zugang schaffen, also zum Beispiel neue Aufgänge zu den Bahnsteigen von der Fußgängerunterführung aus. Das tatsächlich Investoren schon Schlange stehen wollte auch Margitta Popp von der SPD nicht so recht glauben, „lasst uns sagen, ‚Ja, wir wollen das!‘, dann werden auch Investoren kommen“.

 

„Bahnhof auf der falschen Seite“

 

Über Löws ablehnende Haltung wunderte sich Wolfgang Hartmann von den Grünen/Bürgerliste. Löw beschwere sich immer, dass in der Stadt nichts weitergehe und jetzt sei er eine Art Blockierer. „Seit 20 Jahren wissen wir, dass der Bahnhof auf der falschen Seite der Stadt ist, aber jetzt haben wir die Chance den Bahnhof näher an die Stadt heranrücken zu lassen“. Im Süden und Norden gleichzeitig bauen ist nach Ansicht Hartmanns ohnehin nicht möglich.

 

Löw fühlte sich herausgefordert und untermauerte sein „Nein“ noch einmal, nur etwas drastischer. „Ross und Reiter müssen im Stadtrat genannt werden, sonst stochern wir nur im Nebel“. Er wehre sich gegen imaginäre Projekte, die dann über Jahre hinweg ohnehin nicht umgesetzt würden, „und das verkaufen wir dann dem Bürger als große Errungenschaft“. Die „Meinungsvielfalt“ innerhalb der Freien Wähler machte Thomas Ehrmann komplett, richtig überzeugt von den Plänen schien auch er nicht zu sein, aber er wählte einen pragmatischen Ansatz: „Ich will zwar auch kein Steuergeld rauswerfen, aber wenn wir die Förderungen nicht beantragen, dann bekommt sie halt wer anders“.

 

Sprach’s und stimmte am Ende mit der Mehrheit der Stadträte dafür, dass die Stadt bis 30. November den Antrag auf Förderungen für das Bahnhofsquartier stellt.

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